Februar 28

Erlernte Hilflosigkeit loswerden

Erlernte Hilflosigkeit

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„Die Fähigkeit zu wählen kann nicht weggenommen oder weggegeben werden – sie kann nur vergessen werden.”

Greg McKeown

Je nachdem, wie du aufgewachsen bist, kann es sein, dass du etwas gelernt hast, was du dann vergessen hast. Infolgedessen stellst du gar nicht mehr infrage, ob deine Erfahrung so sein muss. Oh, und ich spreche nicht von den guten Lernerfahrungen.

Hilflosigkeit.

[Achtung, dieser Text könnte zartere Naturen verstören oder aufregen. Tier- und Menschenversuche werden erwähnt.]

Je nachdem, wie sehr deine Aktionen der Kindheit zu positiven Reaktionen geführt haben oder eben nicht, hast du Annahmen getroffen. Über dich, deine Aktionen und deine Fähigkeit, durch deine Aktionen (positive) Reaktionen hervorzurufen.

Weitere Gründe für erlernte Hilflosigkeit:

Martin Seligman und Steve Meyer führten Versuche mit Schäferhunden durch. Sie bildeten drei Gruppen von Hunden. Gruppe eins bekam ein Geschirr angelegt und bekam einen elektrischen Schlag. Gleichzeitig bekam diese Gruppe jedoch auch einen Hebel, mit dem sie den Strom abschalten konnten.

Die zweite Gruppe von Hunden bekam das gleiche Geschirr angelegt, den gleichen elektrischen Schlag und auch einen Hebel. Der Hebel der zweiten Gruppe funktionierte jedoch nicht, der Strom ließ sich damit nicht abschalten. Das machte die Hunde machtlos. Hilflos.

Der dritten Gruppe Schäferhunde wurde nur das Geschirr angelegt, ohne dass den Hunden Stromschläge verpasst wurden.

Anschließend wurden die Hunde in eine große Kiste gesteckt, die in der Mitte einen niedrigen Teiler hatte. Eine Seite des Bodens der Kiste erzeugte einen kleinen elektrischen Schlag, die andere nicht. Jetzt beobachtete man die verschiedenen Hunde. Diejenigen, die den elektrischen Schlag durch das angelegte Geschirr mit dem Hebel abstellen konnten, und diejenigen, die gar keinen elektrischen Schlag erhalten hatten, lernten schnell, über das niedrige Hindernis hinwegzugehen, um dem Strom auszuweichen.

Die Hunde, die im ersten Teil des Versuchs machtlos gewesen waren, taten das nicht. Sie unternahmen nichts, um die Stromschläge zu verhindern oder ihnen zu entgehen. Sie nahmen die elektrischen Schläge einfach hin. Sie wussten nicht, dass sie eine Wahl hatten. Sie versuchten es nicht einmal.

Auf YouTube kannst du ein Video mit einem anderen Versuch sehen, der bereits wesentlich früher von einem Biologen gemacht wurde. Es nennt sich das „Pike Experiment“. Auch das ist enorm erhellend, wenn es um erlernte Hilflosigkeit geht. Ich habe es hier schon beschrieben. Und hier ist der Link zum YouTube Video.

Lass das mal auf dich wirken und lass es dir durch den Kopf gehen.

Das sind zwei sehr vielsagende Experimente, unabhängig davon, ob du ein Tierschützer bist oder nicht. (Klar, es besteht eine gewisse Unschärfe, von Schäferhunden und Hechten auf Menschen zu schließen. Aber wenn wir menschliche Erfahrungen und Verhaltensweisen anschauen, können wir schon ein paar Parallelen entdecken. Gerade in meiner Praxis konnte ich viel davon mitbekommen.)

Es gab früher diese Praxis, dass Eltern empfohlen wurde, das Kind schreien zu lassen, um ihm beizubringen, dass es nicht so viel schreien soll. Absoluter Horror, diese Empfehlung. Ich hoffe wirklich, heutzutage macht das niemand mehr. Ein Baby, dessen Schreien nicht durch Reaktionen der Eltern oder der Pflegeperson beantwortet wird, gibt irgendwann auf. Es resigniert. Es hat gelernt, dass seine Aktionen in der Welt keine Reaktionen hervorrufen. Das ist dann erlernte Hilflosigkeit. Es kann geschehen, dass so ein Mensch dieses Gefühl von Wirkungslosigkeit in der Welt durchs ganze Erwachsenenalter mitschleppt.

Das Schreien oder Jammern eines Babys sollte immer eine positive aufmerksame Interaktion mit den Eltern oder der Pflegeperson zur Folge haben. (Wem das zu viel erscheint, der sollte lieber eine Lümmeltüte benutzen, bevor er sich dieser Herausforderung stellen muss. Wer schon über diesen Punkt hinausgeschossen ist, sollte einfach seine Realität so akzeptieren, wie sie ist, mit all dem, was sie mit sich bringt an Verantwortung.)

Hier noch ein erhellendes Beispiel aus der Tierwelt. Ratten, deren Selbstwertgefühl man gestört hat, indem man sie entmächtigenden Erfahrungen wie oben beschrieben ausgesetzt hat, hat man in einen Swimmingpool geworfen, aus dem sie nicht herauskamen. Im Schnitt schwammen sie 30 Minuten weiter, bevor sie aufgaben und sich ihrem Schicksal ergaben.

Eine zweite Gruppe von Ratten, deren Ratten-Selbstwertgefühl man intakt gelassen hatte und die somit keine Erfahrung der erlernten Hilflosigkeit hatten, warf man auch in den Pool.

Rate, wie lang diese Ratten weiterschwammen?

60 Stunden!

30 Minuten gegen 60 Stunden. Wow. Der einzige Unterschied war erlernte Hilflosigkeit.

Wie können wir diesen Effekt der erlernten Hilflosigkeit wieder rückgängig machen und so immer mehr Wirkkraft im Leben erzeugen? Martin Seligman, der 40 Jahre lang erlernte Hilflosigkeit erforschte, nennt das „contingency“, ein Wort, das nicht sehr leicht zu übersetzen ist. Ich wähle Wirkkraft oder Selbstwirksamkeit.

Im folgenden Zitat erklärt es Seligman im Zusammenhang mit Kindererziehung:

„Die entscheidende Variable ist contingency – lernen, dass deine Aktionen Bedeutung haben, dass sie wichtige Ergebnisse kontrollieren.“

Laut Seligmann erzeugt das Gegenteil „Passivität, Depression und schlechte körperliche Verfassung“. Wie oben beschrieben, muss das Rufen oder Schreien des Kindes zu einer positiven Reaktion der Eltern führen. Das Kind muss, um sich psychisch gesund zu entwickeln, lernen, dass seine Aktionen ein so wichtiges Ereignis kontrollieren können. Was viele Erwachsene übersehen: Um zu überleben, ist ein Kind bis zu einem gewissen Alter zu 100 % von Erwachsenen abhängig. Zudem haben Kinder eine andere Zeitwahrnehmung. Sekunden und Minuten können Ewigkeiten sein. In dieser Zeit kann sich das Kind tödlich bedroht fühlen.

In den siebziger Jahren machte man einen Versuch mit Babys (Finkelstein and Ramey, 1977). In die Kissen ihrer Wiege baute man Bewegungsmelder ein. Dann hängte man Mobiles über ihre Köpfe, die durch diese Bewegungsmelder im Kissen gesteuert werden konnten. Bewegte das Kind den Kopf in die eine Richtung, folgte das Mobile. So lernten die Kinder innerhalb weniger Minuten, dieses Mobile zu kontrollieren. Diese Kinder haben gelernt, dass sie Macht im Leben haben. Diese Kinder zeigten eine natürliche Neugier gegenüber allem um sie herum, nahmen zu, entwickelten ein gutes Immunsystem und waren gesund.

Eine zweite Gruppe von Kindern hatte ein ähnliches Setup. Unterschied: Das Mobile wurde von den Kindern der ersten Gruppe kontrolliert. Das heißt Kind A schaute nach rechts, Mobile über der Wiege von Kind B ging nach rechts. Unabhängig davon, was Kind B machte.

So wurde ausgeschlossen, dass die reine Bewegung des Mobiles für die Wirkung beim Kind gesorgt hatte. Das Mobile bewegte sich bei beiden Kindern.

Die Babys der zweiten Gruppe „B“ lernten, dass sie keinerlei Macht über das Mobile hatten, und sie verloren schnell das Interesse daran. Als sie dann in eine Wiege gelegt wurden, in der sie das Mobile hätten kontrollieren können, lernten sie es nicht. Bedenke, die andere Gruppe lernt es innerhalb von Minuten. Diese Babys mit der ersten Erfahrung von Hilflosigkeit versuchten es anschließend nicht einmal mehr.

Die Bedeutung dieser Versuche kann man gar nicht hoch genug bewerten.

Was versuchst du gar nicht mehr, weil es dir gar nicht mehr in den Sinn kommt, deine Unfähigkeit oder Machtlosigkeit in diesem Bereich zu hinterfragen?

Es schüttelt mich geradezu, wenn ich daran denke, wie viele Millionen Menschen herumlaufen und nicht einmal mehr versuchen, Neues zu lernen, Fähigkeiten zu lernen, Erfolg zu lernen, Liebe zu lernen, Freiheit zu lernen, MACHT-Entfaltung zu lernen.

Und es schüttelt mich noch mehr, daran zu denken, wie viel blinde Flecke ich wohl noch habe, mit denen ich etwas akzeptiere, ohne es zu hinterfragen, nur weil ich es irgendwann mal in der Kindheit oder danach gelernt habe. Oder, je nach Fokus, verlernt habe.

Wie kommen wir also wieder zurück zur Wirkkraft in unserem Leben, zur Selbstwirksamkeit?

Wir müssen uns umerziehen. Wir müssen hoffnungslos optimistisch werden, ohne rosarote Brille, mit einem echten Realitätssinn.

Gedanken wie „ich kann“, „es ist möglich“ und so weiter dürfen uns zu Leitsätzen werden.

In Bereichen, in denen wir Annahmen über unsere Fähigkeiten einfach übernommen haben, ohne sie je zu hinterfragen, dürfen wir uns aktiv Beweise schaffen, dass wir es können. Was auch immer es ist.

Woher will ich denn wissen, wo meine Grenzen sind, wenn ich sie nie teste, sie nie überschreite. Selbst wenn ich dabei mal auf die Nase falle.

Wir müssen uns selbst beweisen, dass unsere „Aktionen Bedeutung haben, dass sie wichtige Ergebnisse kontrollieren“.

Und wenn wir noch so klein anfangen, mit den kleinsten Aktionen, um für uns wichtige Ergebnisse zu erzeugen.

Vieles auf dieser Website und in meinen Büchern geht nur darum, uns zu helfen, uns die Macht – die Wirkkraft, die Selbstwirksamkeit – in unserem Leben wieder zurückzuholen.

Lass dich inspirieren und überlege dir selbst etwas dazu. Wie willst du dir etwas selbst beibringen? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten willst du lernen?

About the author 

Carsten Kammerer

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