Die gesamte spirituelle Szene und Wachstumszene ist voll von Menschen, die auf der Flucht sind. Da wird ewige Glückseligkeit versprochen, wenn man nur die richtige Körperhaltung einnimmt und durch das rechte Nasenloch einatmet und durchs linke wieder ausatmet. Liebe wird gelehrt, und dabei wird gleich noch – versteckt – eine gute Dosis egozentrisches Gift mitgegeben.
Wie viele der heutigen Super-Influencer haben dich zuletzt auf die Fährte gelockt, dass du möglicherweise mit einem narzisstischen Partner zusammenlebst, der gleichzeitig noch ein Psychopath ist?
Wenn du eines der Videos anschaust, die das suggerieren – wie schaust du danach deinen Partner an?
Was wir dabei gerne übersehen, ist, dass 80 % dieser sogenannten Influencer einfach nur auf den gerade aktuellen Traffic-Zug aufspringen mit ihren Videothemen. Traffic – das Lebensblut der Influencer – sind wir, die Zuschauer. Dadurch, dass das Thema „narzisstischer Partner“ gerade gut läuft in der Szene, werden von ihnen immer mehr Videos zu diesem Thema produziert. In der Folge entsteht die Illusion, wir hätten gerade eine Pandemie der narzisstischen Partner.
Frieden wird verkauft, anstatt Heroin. Und so werden viele der spirituellen Sucher süchtig nach ihrer Flucht-Gefühl-Droge.
Ich hatte einmal eine Klientin, die einen sehr aggressiven, gewalttätigen Freund hatte. Auf die Frage, was sie denn tue, wenn er so aggressiv werde, sagte sie: „Ich gehe für zwei Stunden meditieren.“ Hm, Entschuldigung, meditieren hat noch nie einen anderen davon abgehalten, gewalttätig zu sein. Das ist Fluchtverhalten.
So wird auch Freiheit missbraucht. Freiheit ist nicht ein schöner Ort in deiner Fantasie mit angenehmen Gefühlen.
Frei bist du hier und jetzt, so, wie du bist, und so, wie deine Lebensumstände sind – oder du bist nicht wirklich frei.
Wenn das Leben ihnen zu viel entgegenwirft, mehr als sie glauben verarbeiten zu können, wählen viele Menschen die Flucht in angenehme Gefühle. Flucht in Meditation. Die Zwei-Stunden-Meditationen sind sicher schön. Aber rate einmal … Der Gewalttäter in deinem Bett verschwindet dadurch nicht.
Ich habe an anderer Stelle bereits geschrieben, dass die Punks Ende des zwanzigsten Jahrhunderts dachten, sie seien der Gipfel der Freiheit. Jedoch waren sie nur am anderen Ende der Versklavung durch Ideologie. Sie flüchteten in Scheinfreiheit und auf die zerstörerische Seite der Skala, auf deren anderer Seite die Spießer in Anzug und Krawatte oder im Blaumann waren. Die Uniform der Punks war einfach zerrissen, dreckig und stinkend. Nichtsdestoweniger: Uniform einer Gesinnung (Ideologie). Keine Freiheit hier.
Flucht in die Scheinfreiheit oder in behagliche Gefühle – Angst davor, sich dem eigenen Leben auf konstruktive Weise zu stellen, so wie es ist.
Ich selbst hatte eine ganze Zeit lang dieses seltsame Bild im Kopf vom „Erwachen“, dem ich hinterherhechelte. Ach, würde ich nur erwachen, dann wären alle Probleme weg und ich wäre dauerhaft glücklich („High“, wie Drogenkonsumenten das nennen). Aber wer will schon ein dauerhaft blöd grinsender Idiot sein, der vor lauter Glücksgefühl nicht mehr laufen, geschweige normal reden kann. Da will ich lieber die Realität. Und damit emotionale Flexibilität. Normalerweise schreibe ich für mich mittlerweile „Realität(en)“, weil das mit der Realität nicht so fest ist, wie wir gemeinhin glauben. Aber das ist ein Thema für einen anderen Blogpost.
Bleiben wir bei la liberté …
… Freiheit – die ich FREISEIN nenne –, von der ich spreche, die erarbeitet man sich im Jetzt. So, wie es ist. Dafür braucht es Mut, sich den Herausforderungen des eigenen Schicksals zu stellen. Dem, was jetzt ist – dem Schicksal – nicht ausweichen, sondern sich den Kopf voraus hineinstürzen in das Abenteuer des eigenen Lebens.
In meinem Buch „FREISEIN“ und der begleitenden Blogpostserie beschreibe ich ein paar sehr praktikable Wege, mit denen das gelingen kann.
