„Ich bin frei, wenn ich eine Million Euro auf dem Konto habe.“ Damit schafft man sich äußere Bedingungen für sein Gefühl der Freiheit. Was wäre jedoch, wenn wir bedingungslose Freiheit hätten? Wenn Frankl, Epiktet und andere Freiheit unter schlimmsten, eingesperrten und begrenzenden Bedingungen finden konnten, können wir dann nicht in unseren relativ angenehmen und freien Lebensumständen frei sein?
Die menschliche Erfahrung ist sowieso begrenzt – durch den Tod. Sind wir nicht zwischen Geburt und Tod eingesperrt in dieser Erfahrung als Mensch? So zumindest fragt Rollo May in seinem Buch über Freiheit und Schicksal. Laut May ist es gerade diese Beschränkung unseres Schicksals und die durch den Tod, im Zusammenspiel mit dem Fakt, dass Leben eine große Freude ist, die uns dazu antreibt, die tiefsten Aspekte unseres Seins zu erforschen. Wir können ob unserer Begrenzung in stiller Verzweiflung leben (Thoreau) oder wir können diese Erfahrung – Schicksal – genau so, wie sie ist, nutzen, um unser WAHRES WESEN zu ergründen.
Dieses Schicksal ist jedoch ein Konzept, das ich etwas anders sehe als viele Menschen.
»Meine Formel für die Größe am Menschen ist amor fati: dass man nichts anders haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in alle Ewigkeit nicht.«
Friedrich Nietzsche
Liebe dein Schicksal, verlangt Nietzsche. (Amor fati.)
Die alten Stoiker und ich stimmen zu. Dem zustimmen, was jetzt ist. Der Kampf gegen dein Schicksal im Jetzt bindet dich an das Schicksal. Das bringt uns zur letzten menschlichen Freiheit, sich so oder so auf eine Situation einzustellen.
Du kannst versuchen, dein Körpergewicht im Jetzt zu bekämpfen, es abzuwehren, und wollen, dass es jetzt von hundertzwanzig Kilo auf neunzig Kilo fällt. Wird das etwas bewirken – abgesehen von Frust, Stress und Selbstvorwürfen? Das Körpergewicht ist die Folge von tausenden Entscheidungen, Handlungen, Unterlassungen und Geschehnissen in der Vergangenheit. Diese – wie ihr Ergebnis im Jetzt – sind im Jetzt nicht zu ändern.
In diesen letzten zwei Sätzen ist übrigens auch meine Definition von Schicksal beschrieben.
Unser Schicksal ist das, was wir im Jetzt erleben. Das, was wir im Jetzt erleben, ist geprägt von allen vorhergehenden Gedanken, Gefühlen, Zuständen, Absichten, Entscheidungen, Handlungen, Unterlassungen.
Diese Definition von Schicksal ermächtigt uns. Meiner Erfahrung nach ist sie recht nah an der Wirklichkeit. Die meisten Menschen scheinen ihr Schicksal als etwas zu erleben, was sie machtlos macht. Etwas, was die Götter ihnen auf den Kopf geworfen haben. Ich ziehe meine ermächtigende Definition vor. Sie gibt mir die Wahl, mein „zukünftiges“ Schicksal mitzubestimmen.
Ja, was ich mir mit meinen vergangenen Taten und Zuständen erschaffen habe, kann ich nur noch akzeptieren. Damit bestätige ich mir selbst auch, dass es meine Kreation ist. Damit hole ich die MACHT zu mir zurück.
Ich kann mich von diesem Schicksal lösen – befreien –, indem ich mich so dazu einstelle, dass ich daraus lerne und es als von mir bestimmtes Schicksal annehme. Das bringt mich auch von der Opferhaltung in die Haltung eines (Mit-)Verantwortlichen. Das stärkt mich.
»… welcher Gedanke mir Grund, Bürgschaft und Süßigkeit alles weiteren Lebens sein soll! Ich will immer mehr lernen, das notwendige an den Dingen als das schöne sehen – so werde ich einer von denen sein, welche die Dinge schön machen. Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! Ich will keinen Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht anklagen, ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. Wegsehen sei meine einzige Verneinung! Und, alles in allem und Großen: ich will irgendwann einmal nur noch ein Jasagender sein!«
Friedrich Nietzsche
Das heißt für mich nicht, dass ich nicht wahrnehme, was nicht „gut“ ist, mir oder anderen schadet. Ich verurteile und bekämpfe es nicht. Ich bleibe im Frieden damit und wähle aus dieser Haltung heraus, welche weiteren Einstellungen und Sichtweisen zu wählen sind und was zu tun ist.
Hier kommt ein weiteres befreiendes Konzept zum Einsatz: die Und-Haltung. Ich nehme an, was ist, und ich lerne und wachse weiter. Ich muss nichts verurteilen und auch mein Jetzt nicht bekämpfen. Das würde nur noch mehr Aufmerksamkeit und Energie dorthin fließen lassen, dem Kraft und Energie geben, was ich nicht will.
Alles, dem du deine Aufmerksamkeit, Zeit und Energie gibst, wächst.
Deine Verurteilung und das Bekämpfen binden dich an dieses spezielle Schicksal, das du bekämpfst.
Anerkennen, was ist, und so einstellen, wählen und handeln, dass du im Jetzt deinem Schicksal eine neue Richtung gibst, das führt zu neuen Höhen von Zufriedenheit, Freude, Erfolg, Wohlbefinden und FREISEIN.
Heißt das, auf diesem Weg des FREISEINS, wenn wir FREISEIN verwirklicht haben, singen wir Hosianna auf der Blumenwiese und haben nie wieder „Probleme“ (Herausforderungen, Wachstumsanstöße)?
Wahrscheinlich nicht. Jedoch sind wir dann nicht gebunden an diese Situationen, ebenso haften wir dann nicht mehr bestimmten Ergebnissen an, als ob wir mit unserem beschränkten Verstand wüssten, was wir tatsächlich brauchen. Wir haben dann erkannt, dass alle Erfahrungen im Jetzt, die wir bisher hatten, genauso sein mussten, uns genau an diesen Punkt gebracht haben. Deshalb erlebe ich häufig – absichtlich – „perfekte Augenblicke“. Als Erinnerung daran, dass jetzt alles so ist, wie es sein soll, und ich so bin, wie ich sein soll. Erlaube dir so oft wie möglich, wahrzunehmen und zu erkennen, dass du im Jetzt okay bist, dass du alles hast, was du brauchst und sogar in Fülle und Überfluss lebst. Damit änderst du deinen ZUSTAND im Jetzt und sendest perfekte Augenblicke aus, die dir das LEBEN dann spiegeln kann.