Bewusstes, absichtliches Lebensdesign. Da ist ein scheinbarer Zwiespalt. Du weißt, Paradoxien sind für mich das Salz in der Suppe des Lebens. Oft sind dies nur oberflächlich gesehen Gegensätze. Jedoch können wir allzu leicht in den Kontrollwahn kommen, wollen wir unser gesamtes Leben und uns absichtlich und bewusst gestalten.
Selbsternannte Influencer auf Instagram und YouTube suggerieren uns, wir könnten alles kontrollieren, wendeten wir nur die richtigen Methoden an. Und ein wahrer Meister des Gesetzes der Anziehung (LOA) kann das vielleicht auch.
Aber stell dir vor, du würdest tatsächlich alles genau dann und so bekommen, wann und wie du es dir wünscht. Wo wäre da der Spaß? Die Herausforderung? Die Freude der Errungenschaft? Die Neugier und freudige Erwartung, ob man etwas schafft oder erreicht? Wäre das also wirklich so großartig?
Außerdem brächte das eine andere Herausforderung mit sich. Wahrscheinlich würden auch alle unsere kleinlichen, negativen, schrecklichen „Wünsche“ und Gedanken in Erfüllung gehen. Meist können wir nicht alles (direkt) kontrollieren, was uns geschieht. Es gibt Freak-Ereignisse, Naturkatastrophen und wir wissen einfach nicht genug darüber, was wir sind, was wir hier erleben und wie das alles „funktioniert“, um zu behaupten, wir könnten alles kontrollieren.
Also nehmen wir „bewusstes, absichtliches“ Gestalten nicht ganz so wörtlich. Weitestgehend bewusst und absichtlich, aber diese Ausdrücke sind mit ein bisschen Vorsicht zu genießen.
Ich denke lieber so darüber: Ich habe großen Einfluss. Ich habe Mitspracherecht. Ich erschaffe und gestalte mit dem LEBEN. Ich sage möglichst klar, was ich will, und versuche von meiner Seite in der materiellen Welt mitzuwirken.
Dann nehme ich dankbar an, was sich im Jetzt zeigt, und mache daraus das Beste, gehe damit weiter. So können wir auch die Unwägbarkeiten des Lebens besser navigieren. Wir lernen, mit der Strömung zu leben und zu erschaffen. Wir segeln mit dem Wind. Wenn der Wind einmal nicht optimal weht, lernen wir das Kreuzen.
Die Taoisten nennen das Wu Wei. Nicht-erzwingen. Das Holz mit der Maserung schneiden.
Mit der Zeit lernen wir, immer besser zu erspüren, wie der Wind des Lebens weht, wie die Situation gerade beschaffen ist. Dabei helfen uns auch die Ideen der Stoiker, im Jetzt klarer zu sehen, was jetzt ist, was wir tun können und was wir sein lassen müssen.
Wir müssen nicht alles selbst tun und erreichen.
Deshalb hier der „Place Mat Prozess“ von Esther Hicks aus „Ask and it is given”. Place Mat ist die Papierunterlage, die wir in manchen Restaurants unter unseren Tellern haben. Dieser Prozess wurde Esther während eines Essens mit ihrem Mann eingegeben. Sie kämpfte gerade mit ihrer ewig wachsenden To-do-Liste, als ihr einfiel, dass sie nicht alles selbst tun musste.
Der Prozess: Nimm ein Blatt Papier und unterteile es in zwei Spalten. Über die linke Spalte schreibst du: „Heute tun: ich selbst“. Über die rechte Spalte schreibst du: „Zu erledigen: Universum(/Leben/Gott)“. Dann sortierst du alle Dinge, die du tun musst oder tun willst, in diese zwei Spalten ein.
Einfach und machbar, oder?
Du musst nicht alles selbst tun, du darfst auch um Hilfe bitten.
Der Vorteil ist hier, du reduzierst die Liste der Dinge, die du aktiv angehen musst. Das erhöht die Chancen, dass du sie wirklich machst. Dies wiederum verändert deinen Zustand: Du erlebst, dass du Dinge bewegen kannst, und du erhöhst die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dinge für dich bewegen.
Eine stetig wachsende To-do-Liste erhöht den Widerstand in dir. Widerstand ist kein guter Zustand, um die Dinge in deinem Leben zu erschaffen, die du gerne hättest.
Das Jetzt ist der wichtigste Punkt der Lebensgestaltung. Es ist die einzige Zeit, die existiert. Nur im Jetzt können wir handeln oder unterlassen. Seth sagte: „Jetzt ist dein Punkt der Macht.“
Jetzt ist auch eine Karte, wir müssen sie richtig lesen und interpretieren. Um das Jetzt richtig lesen und interpretieren zu können, müssen wir lernen, es immer akkurater wahrnehmen und beschreiben zu können. Das schauen wir uns im nächsten Abschnitt genauer an.
Das Jetzt – im weitesten Sinne –, die Realität, ist wie eine Landkarte des aktuellen Terrains, also deiner jeweiligen Umgebung. Nur wenn du die Landkarte richtig lesen kannst, findest du aus dem Wald heraus. Deutest du die Karte falsch, verirrst du dich (weiterhin). Stell dir das vor. Im Wald, in den Bergen und du hast die falsche Karte – etwa vom Schwarzwald, während du im Tirol bist. Kannst du so den richtigen Weg finden? Schwerlich. Es braucht die richtige Karte sowie die Fähigkeit, sie akkurat zu deuten.
So ist es mit der aktuellen Realität. Um dein Leben – oder irgendetwas – erschaffen zu können, musst du deine aktuelle Realität möglichst akkurat wahrnehmen und beschreiben können, so Robert Fritz. Bei Künstlern – oder wenn wir zeichnen oder malen wollen – wird das deutlich. Je genauer ein Künstler die Realität wahrnehmen kann, desto besser kann er zeichnen. Das bedeutet, je weniger Wahrnehmungsfilter durch Konzepte er hat, desto klarer und deutlicher kann er zeichnen (oder Musik komponieren, spielen).
Konzepte auflösen ist dabei ein wichtiger Schritt zur Meisterschaft im bewussten Schöpfen unseres Lebens.
Dies können wir auf verschiedene Weise erreichen. So können wir Praktiken zur Hilfe nehmen wie etwa Achtsamkeitstraining oder Meditation. Oder wir zwingen uns schlicht und einfach, immer wieder die Wahrheit über unsere aktuelle Situation zur Kenntnis zu nehmen. Der Realität, so wie sie ist und wie wir sie erleben, nicht ausweichen, sondern hinschauen und wirklich wahrnehmen. Wahrnehmen auch durch Fühlen.
Ein Kunstlehrer beschreibt, wie seine Schüler zu Beginn erwarten, dass Wasser blau sei. Also malen sie einen See blau. Dieser spezielle See kann jedoch Farbtöne von Rot, Orange, Gelb und Braun haben. Die Erwartung, dass Wasser blau sei, ist ihr Konzept. Dieses Konzept müssen sie auflösen, um den See wirklichkeitsgetreu malen zu können.
So siehst du normalerweise nicht einen Stuhl, wenn du einen Stuhl siehst. Du siehst dein Konzept des Gegenstands, den wir Stuhl nennen, eine innere Repräsentation, die es uns leichter macht, Dinge zu erkennen (auch nicht dingliche).
Ein Konzept ist wie eine mentale Schublade, in die wir alles hineinstecken können, was wir einer bestimmten Kategorie zuordnen. Leider machen wir das dann mit allem im Leben, weil es uns so leicht fällt und auf den ersten Blick so hilfreich ist. Mit unseren Mitmenschen, Beziehungen, Liebe, Frieden, Selbst, Welt, Natur, Universum, Leben, Erfolg, Geld, Macht: All das und noch mehr haben die Menschen, die nicht daran gearbeitet haben, als Konzept gespeichert.
Wenn du ein Konzept davon hast oder es mit anderen Konzepten beschreibst (siehe meinen letzten Satz dazu), ist es nicht LIEBE.
Dazu kommt, dass wir Menschen zur Lüge neigen. Wir lernen schon früh, dass es nicht erwünscht ist, immer die Wahrheit zu sagen. „Mama, warum sieht der Mann so komisch aus?“ „Psst, das sagt man nicht.“ Eine ehrliche Frage, aus echter Neugier gestellt, darf nicht sein. Kinder unterdrücken auch Selbst-Aspekte von sich, die in der Familien-Kultur (und Gesellschaft) nicht sein dürfen. Das machen sie, weil sie die positive Aufmerksamkeit der Eltern brauchen, um zu überleben. Wortwörtlich.
Also lernen wir schon früh, uns zu belügen, Seiten von uns zu verleugnen, zu verstecken. Aspekte der Realität zu leugnen oder abzuwandeln.
„Bei Oma stinkt‘s immer so.“ „Psst, das darf man nicht sagen.“
Ich verurteile das nicht. Es ist sicher auch gut, zu lernen, auf die Gefühle anderer Menschen Rücksicht zu nehmen. Es hat jedoch Folgen, die unserem Lebenserfolg und Glück im Wege stehen.
Außerdem: Achtest du auf die Gefühle eines Kollegen, der immer Mundgeruch hat? Oder verhinderst du, dass er etwas gegen diesen Zustand unternehmen kann, von dem er nichts weiß?